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»Eine zweite Chance geben.«

Interview mit Leiter der JVA Heinsberg, Jochen Käbisch

Wie empfinden Sie die Verantwortung, die Sie für die Beschäftigten und für die Gefangenen tragen?

Es ist schon eine große Verantwortung den vielen Bediensteten und Gefangenen gegenüber. Man kann es natürlich nicht immer jedem Recht machen, aber ich versuche, meine Entscheidungen transparent und nachvollziehbar zu machen. Ich bin für die Bediensteten ansprechbar und interessiere mich für ihre Anliegen und die der Gefangenen. Ich glaube, dass insbesondere die Kolleginnen und Kollegen das merken.

 

Warum ist ein Berufsabschluss wichtig für die Wiedereingliederung?

Da sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Die meisten unserer Gefangenen haben bisher schulisch und beruflich nicht viel erreicht. Da ist es für sie eine ganz neue Erfahrung, durch eigenen Einsatz einen Abschluss zu erzielen. Ein vernünftiger Berufsabschluss erleichtert zudem den Weg in den Arbeitsmarkt und eröffnet bessere Verdienstmöglichkeiten. Vielen unserer Gefangenen hat vor der Inhaftierung jegliche Struktur im Tagesablauf gefehlt. Das ist hier anders. Der Tag ist in der JVA für die Gefangenen sinnvoll strukturiert und genau „durchgetaktet“. Wenn sie entlassen werden und keine Arbeit haben, leben sie in den Tag hinein und verfallen schnell in alte Verhaltensmuster. Eine durch einen Abschluss erworbene Arbeitsstelle wirkt dem entgegen und kann dabei helfen, nicht wieder „auf dumme Gedanken“ zu kommen. Zudem versetzt der Lohn sie in die Lage, Bedürfnisse anders als durch Straftaten zu befriedigen.

Herr Käbisch, wie sieht Ihr normales, durchschnittliches Tagesgeschäft aus?

Das gibt es nicht. Die Arbeit im Justizvollzug ist immer anders und nicht sicher planbar. Es gibt einige wenige feste Eckpunkte, wie die morgendliche Frühbesprechung mit meiner Vertreterin, den Leitern des Allgemeinen Vollzugsdienstes und des Werkdienstes sowie der Abteilung Sicherheit und Ordnung. Dazu kommen regelmäßige Besprechungen, etwa die wöchentliche Abteilungsleiterbesprechung. Außerdem gibt es für jedes Hafthaus, für das ich auch als Abteilungsleiter zuständig bin, einmal die Woche eine Vollzugskonferenz, in der die wesentlichen Dinge der dort untergebrachten Gefangenen besprochen und entschieden werden. Ansonsten kommen jeden Tag viele Akten aus allen Bereichen der Anstalt auf meinen Tisch; allgemeine Organisation, Personal, Haushalt, Berichte ans Ministerium oder an Gerichte etc. Regelmäßig sehe ich vormittags die an die Anstalt gesandte Post durch. Und, ganz wesentlich, ich spreche jeden Tag mit vielen Menschen hier über die verschiedensten Anliegen und gehe durch die Anstalt. Dazu kommen etliche Termine mit Externen, anderen Vollzugsanstalten oder dem Ministerium. Langweilig wird es hier also niemals.

Was würden Sie einem Betriebsinhaber sagen, wenn der Sie fragt, warum er einen ehemaligen Straftäter beschäftigten sollte?

Der Betriebsinhaber ist auf der Suche nach einem Mitarbeiter. Als solcher kommt auch ein (ehemaliger) Gefangener in Betracht. Es kann also für Betrieb und Gefangenen zu einer Win-Win-Situation werden. Der Betrieb befriedigt seinen Fachkräftemangel, der Gefangene gewinnt ein weiteres Stück Perspektive auf eine straffreie Zukunft.

Der Vorteil, den wir haben ist, dass die Strafgefangenen zur Arbeit verpflichtet sind. Ihnen bleibt also gar nichts anderes übrig, als sich mit den vielfältigen hier vorhandenen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Und dabei können sie auch Einblick in verschiedene Berufe und Ausbildungsmöglichkeiten bekommen, die ein „Nichtgefangener“ so im Zweifel nicht erhält oder nutzt. Vielleicht wird damit bei dem ein oder anderen Gefangenen genau der passende Beruf gefunden, für den er sich draußen vielleicht niemals interessiert hätte.

Und im Übrigen ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, auch denen eine Perspektive zu geben, die mal „vom geraden Weg“ abgekommen sind. Dieser Aufgabe stellt sich ein Betriebsinhaber, der einen ehemaligen Gefangenen einstellt in besonderem Maße.

 

Was bringen Gefangene mit, was Menschen, die diese Erfahrung nicht machen mussten, vielleicht nicht haben?

Im Falle der Einstellung bei einem Betrieb etwa das Wissen, dass ihnen eine zweite Chance gegeben wird. Und dass es an vielen Stellen Menschen gibt, die sich kümmern. Und sie bringen natürlich ihre Hafterfahrung mit…

 

Was wünschen Sie sich für den Strafvollzug im Allgemeinen?

Für den Strafvollzug im Allgemeinen würde ich mir wünschen, dass er nicht mehr in dem bisherigen Maße zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung gemacht wird. Das würde sicherlich zu einer Verbesserung des Ansehens des Vollzuges in der Öffentlichkeit führen. Wir haben es nun einmal mit nicht unproblematischen „Kunden“ zu tun. Da kann es auch bei bestmöglicher Organisation zu ungewünschten besonderen Vorkommnissen kommen. Die Bediensteten in den Vollzugsanstalten leisten eine sehr wichtige und ganz überwiegend gute Arbeit und wenn es mal zu einem Fehler kommen sollte, ist das in aller Regel nicht der Justizskandal, zu dem das Vorkommnis häufig gemacht wird. Im Maßregelvollzug funktioniert es auch, dass er aus der politischen Diskussion herausgehalten wird. Es wäre schön, wenn das auch im Justizvollzug so sein könnte.

Und darüber hinaus wäre es natürlich toll, wenn es noch mehr Menschen geben würde, die dem Vollzug so unvoreingenommen begegnen, wie Sie und die Vertreter Ihrer Kammern das gerade tun. Das stärkt den Vollzug ungemein.

 

Wie schalten Sie nach Feierabend ab?

Ich spiele gerne Tennis, aber natürlich nicht täglich. Außerdem gehe ich gerne Essen, besuche Konzerte, treffe mich Freunden und telefoniere oder kommuniziere mit meinen Kindern, Bekannten/Freunden und lese. Außerdem bin ich auch als Prüfer im zweiten juristischen Staatsexamen tätig und korrigiere nach Feierabend Klausuren oder bereite mich auf mündliche Prüfungen vor.

 

Vielen Dank für das Gespräch.